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Berlin ist doch ein Stück entfernt, merkte ich, als der Brief vom Koppelsberg ankam, der die Einsatzstellen enthielt, bei denen ich vorsprechen durfte. Die Prüfungen standen an, die Zeit war wertvoll. Ich war froh, als ich auf meine Anfrage hin, dass Gespräch nach Möglichkeit online führen zu können, eine verständnisvolle Rückmeldung bekam.

 

Alles stand bereit. Stift, Zettel, Wasser, der Laptop am Netzteil, ich saß davor nicht gerade wenig aufgeregt. Den Link hatte ich gerade geöffnet und mir blickten mehr Menschen entgegen als gedacht. Namen merkte ich mir nicht. Doch das war nicht schlimm, eine freundliche Neugierde sprach aus allen Gesichtern.

Es ging ans Vorstellen und darauf folgten die Fragen, warum ich einen ökologischen freiwilligen Dienst machen möchte, was meine Stärken sind, wie ich mich einbringen möchte, welche beruflichen Perspektiven ich vielleicht schon habe… die Beichte mich gar nicht für eine Stelle im Verein Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein e.V., dessen Sitz sich im BNUR befindet, beworben zu haben, wurde ich recht schnell los. Gelächter. Ich fühlte mich wohl, es war ein harmonisches Team, das merkte ich schnell und meine fachliche- und persönliche Betreuerinnen machten auf mich einen sehr wohlwollenden und vertrauenserweckenden Eindruck.

 

 

Abb. 1, v.l.n.r.: ich, Doménica, Daria zum 30-jährigen Jubiläum des BNUR

 

Wir landeten in Molfsee. Die oberste Etage eines Einfamilienhauses, in welcher vier Zimmer vermietet wurden. Rückblickend vielleicht nicht das beste was uns passieren konnte, der Preis ist nach wie vor fraglich, die Küchenausstattungen nicht vollständig und der Lack von der Badewanne platzt ab. Die vorherigen Bewohnerinnen haben die Wohnung nicht sauber hinterlassen und unsere Vermieterin hat dafür auch keine Sorge getragen. Mittlerweile arrangieren wir uns. Es ist eine Erfahrung ohne Ofen, ohne Geschirrspüler und das finde ich gut. Dennoch kann ich nur sagen: ich freue mich auf den Auszug und mache es mir bis dahin so schön wie möglich in meinem Zimmer.

 

Um finanzielle Unterstützung zu erhalten, stellte ich einen Wohngeldantrag, ein Graus… glücklicherweise hatte ich auch in meinen ersten Berührungen mit der Bürokratie verlässlichen Beistand. Woher sollte ich wissen, dass die Angabe eines Zweitwohnsitzes mit ziemlicher Sicherheit eine Verweigerung des Wohngeldes nach sich ziehen würde, weil das Amt daraus schloss, dass ich grundsätzlich finanziell gut abgesichert wäre und zu meiner Familie zurückkehren würde mit Beendigung des freiwilligen Dienstes. Nichts wird zu meinen Gunsten ausgelegt, das musste ich lernen.

Das FÖJ ist einigen Behörden noch nicht bekannt oder will von ihnen nicht gekannt werden. Eine Feststellung, die ich machte, als ich Post vom hiesigen Sozialamt erhielt. Ich wurde um zusätzliche Angaben in Sachen Ausbildungsunterhalt im Falle eine Erstausbildung gebeten. Definitiv hatte ich in meinem Wohngeldantrag die Art meiner Beschäftigung angegeben. Nicht alles ergibt einen Sinn, auch in den Behörden der Landesverwaltung, wieder was gelernt. Wie dem auch sei, ich komme zurecht, mit der FÖJ-Entschädigung und dem Kindergeld.

 

Die Begrüßung im BNUR war sehr herzlich, die ehemaligen ÖFDler:innen warteten auf uns und das gesamte Kollegium freute sich uns kennenzulernen. Von Anfang an wurde uns klargemacht, dass alle zu jeder Zeit ansprechbar für uns sind und wir einfach nur zu kommen brauchen. Daran halten alle nach wie vor fest. Wir wurden herumgeführt; Broschüren Lager, Druckerraum, Möbellager, Cafeteria, Teilnahmeverwaltung, dort hingen die Schlüssel zu den Schränken. Es gab viele, von beiden. Jetzt fast sechs Monate später, kenne ich auch noch nicht jeden Schrank, aber ich finde was ich suche. Die Ehemaligen haben uns jeglichen Druck genommen, der sich anbahnte durch ihre lockere, aufgeschlossene Art und dem Wissen wie es ist „neu“ zu sein. Zum Ende der Führung fanden wir uns in einem Raum mit drei großen Schreibtischen und vielen Fenstern wieder. Unser Büro (Abb. 3), mit ein bisschen Blick aufs grün - schön. Auch jetzt im Winter, wenn der Schnee fällt.

 

Abb.2, Büro der Freiwilligen

 

In einer Woche beginnt das dritte Seminar der Lilas (jede:r ÖFDler:in in Schleswig-Holstein gehört einer Ortgruppe an und jede Gruppe bekommt eine Farbe; Kiel und Umgebung ist lila) von insgesamt fünf in dem Jahr, es steht unter dem Motto „Ökotopia – Visionen für eine bessere Zukunft“, wir werden ins Moor gehen und uns mit dem Konzept der persönlichen Utopien auseinandersetzen, den Fragen, welche Werte sind mir wichtig, wie kann ich sie vermitteln, in was für einem System möchte ich leben und noch vielen mehr. Im letzten Seminar habe ich mitgewirkt, es ging um Konsum und Nachhaltigkeit. In meinen Punkten ging es um die Entwicklung des Konsums im deutschen Raum, im 19. - und Anfang des 20. Jahrhundert, während des 2. Weltkrieges, zur Nachkriegszeit in der DDR, während der Corona Pandemie und wie nachhaltiger Konsum in Zukunft aussehen kann. In Gruppen eingeteilt bekam jeder die Aufgabe sich mit seiner Epoche auseinanderzusetzten und befasste sich mit konkreten Fragen, wie bspw. „In welchen Punkten sind verschiedene Geschlechter in ihrem Konsum benachteiligt?“, „Welche Werte und Kaufmotive werden in heutiger Werbung vermittelt?“ oder „Arbeitskräfte im Krieg. Ab wann wird der Mensch zum Konsumgut?“. Wir hatten viel Spaß bei den Kooperationsspielen und konnten zur Ruhe kommen bei einem Achtsamkeitsspaziergang, Body Scan und einer Gedankenreise. Jeder hat ein Glas mitgebracht und ich habe Namensschilder vorbereitet. Im Laufe der Woche konnten wir uns gegenseitig Zettel schreiben, mit Komplimenten, Momenten für die wir dankbar waren und Gedanken zum Teilen. Es wurde Zahncreme, Waschpulver, Sojawachstücher und Geschirrspülpulver selbstgemacht, Textilien mit Zwiebelschalen und Rote Bete Saft gefärbt und das ein oder andere Stick- und Nähprojekt begonnen.

 

Wir waren in der Wikinger Stadt Haithabu (Abb. 4) und buchten dort eine Führung, die sich als wirklich informativ und entdeckungsreich entpuppte. Wir aßen jeden Tag frischen Kuchen oder Kekse und kochten abends. Die ganze Woche gestalteten wir vegan. Unseren letzten Abend ließen wir mit Tee (und wir tranken viel Tee in der Woche) und Musik am Lagerfeuer ausklingen. Die Unterkünfte in den Seminarwochen und das Verpflegungsangebot waren bisher immer super und ich finde es toll, dass auf Regionalität, Ausgewogenheit und biologischen Anbau geachtet wird.

 

 

Abb. 3 rekonstruierte Landungsbrücke in Haithabu

 

Die ersten ÖFDler:innen, die ich kennenlernte waren von der Stiftung Naturschutz und dem Heimatbund, beide in Molfsee. Wir waren zurückhaltend, jeder stellte sich vor, woher kam man, warum ein FÖJ, wie gestalteten wir unsere Freizeit und was haben wir bisher in unserer Einsatzstelle erlebt. Es lief gut, wir vereinbarten sogar ein erstes Treffen zum Grillen. Zu der Zeit hatten wir noch nicht so viel zu tun und wir lernten erstmal die Räumlichkeiten, Strukturen im BNUR und unsere zukünftigen Aufgaben kennen. Eine dieser ist die Gestaltung eines Ausstellungsprojektes, für welches den Freiwilligen ein Regal im Eingangsfoyer des Hauses zur Verfügung gestellt wird. Ich wollte mich mit dem Thema Reerdigung (Abb. 4, 5) befassen und habe dazu viel recherchiert, geschrieben und gebastelt. Es ist toll Freiraum und Material für die Themen zu bekommen, die einen derzeit im Umweltschutz beschäftigen und einfach loslegen zu können.

 

 

Abb. 4                                                                               Abb. 5

 

Neben dem wiederkehrenden Regalprojekt, unterstützen wir die Teilnahmeverwaltung bei der Veranstaltungsvorbereitung, prüfen die Laptops auf ihre Vollständigkeit hin, machen Einkäufe und ich begleite die Vorstandssitzungen meines Vereins. Das alles ist nicht immer sehr aufregend, aber, wenn ich so über meine persönlichen Highlights in den letzten Monaten nachdenke, kommt einiges zusammen… Mein mini Theaterauftritt am letzten Abend, den „Bunten Abend“ des ersten Seminares, wat hat ick da Muffensausen. Die Vorbereitung des 30-jährigen Jubiläums beinhaltete viele Stunden Bilder sortieren, aufkleben, auffädeln, aufhängen, doch es hat sich gelohnt, wir hatten einen tristen Seminarraum zu einem einladenden Ort der Erinnerung und Meilensteine des BNUR gemacht. Wenn ich an das Ende des Sommers denke, fällt mir folgendes Seminar ein; „Seegras, ein vielseitiger Rohstoff – Theoretische und praktische Impulse für die Umweltbildungsarbeit mit Kindern“. Zu der Zeit, saß ich viel im Büro und hatte ein kleines Arbeitstief. In einer DB sprach ich an, dass mir das Draußen sein fehlte und wurde direkt von meiner Kollegin Ann mit eingespannt. Es war ein warmer September Tag an der Küste des Kurortes Stein, wir saßen im Sand und ich staunte über die vielfältigen Einsatzweisen des müffelnden Treibgutes. Mit dem Auftrag selbst Seegras zu sammeln, schwand jegliche Zurückhaltung und es war ein großartiges Gefühl barfuß im Wasser zu stehen und das zu ernten, was das Meer ans Land spülte. Wir sammelten mehrere Eimer, bildeten anschließend eine Waschstraße und hingen das Gras auf ein Netz (Abb. 6) zum trockenen. Dann machten wir Kissen, denn als Füllmaterial eignet sich Seegras, besonders gut, aufgrund seiner atmungsaktiven, schimmel- und milbenfreien Eigenschaften.

 

 

                                           Abb. 6

 

Vom alljährlichen Naturschutztag bekam ich inhaltlich leider nicht viel mit, Doménica wurde der Finger eingeklemmt, weshalb wir einige Stunden in der Notfallaufnahme verbrachten. Glücklicherweise waren wir pünktlich zum Mittagessen wieder da und konnten eine großzügige Portion des Holstenhallen Caterings genießen. Die Ausstellenden hatten sich bei der Gestaltung ihrer Bereiche große Mühe gegeben und die Themen rund um Naturschutz und Nationalparke anschaulich aufbereitet. Eine von den Regionalkonferenzen zur Bedeutung der Niederungsstrategie könnte ich im Nachhinein wohl auch als Highlight bezeichnen, Daria und ich wurden kurzfristig gebeten eine Mikrofonanlage abzuholen und im Anschluss nach Schalkholz zu fahren. Bereits nach kurzer Zeit hatten wir Zeitdruck und der Akku unserer Handys neigte dem Ende zu, Daria notierte auf einem Taschentuch wichtige Wegbeschreibungen und mussten ab der Hälfte analog navigieren. Wir haben es pünktlich geschafft! Was uns damals viele Nerven abverlangte bringt uns heute zum Lachen.

 

Außerhalb des BNUR habe ich am Coastal Clean-up in Hamburg teilgenommen, dort haben wir wirklich spannende Vorträge rund um Meeresschutz und das globale Plastikmüll Problem gehört. Auch wenn der Müll den wir gesammelt haben (Abb. 7) nur ein Bruchteil von dem war, was tagtäglich im Meer landet, ist es ein gutes Gefühl sich dessen Bewusst zu sein und etwas zu unternehmen. Ein FÖJ zu machen hat sich für mich gelohnt, weil ich Menschen kennenlerne, die meine Sorgen und Ängste teilen und auch etwas tun wollen. Das zu wissen nimmt mir ein wenig die Ohnmacht, dich ich oft im Hinblick auf die Entwicklungen im Umweltschutz verspüre. Die Menschen inspirieren und ermutigen mich, auszuprobieren, akzeptieren zu lernen, selbstwirksam zu werden, neu anzufangen.

 

 

Abb. 7

 

Ich bin dankbar und froh hier sein zu dürfen, für die Begegnungen, Freundschaften und bin gespannt wie sich alles über das restliche Jahr entwickeln wird!

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